Description
Auf die Bedeutung klimatischer Aspekte in Schule und Unterricht haben mehre-re empirische Studien aufmerksam gemacht: Die Schulklima-Studie von Helmut Fend (1977), die Studie zum Unterrichtsklima von Helmut Dreesmann (1982) und die Befindensstudien von Ferdinand Eder (1995 und 2007) und Tina Ha-scher (2004a, b). Sie zielen allesamt auf die Frage, inwieweit Unterrichtsqualität und Unterrichtserfolg von atmosphärischen Variablen beeinflusst werden.
Auch die Freiburger Schulstudie (Bauer 2004) sowie die Potsdamer Lehrer-studie (Schaarschmidt 2005; Schaarschmidt & Kieschke 2007) untersuchen Klimaaspekte – im Vordergrund stehen allerdings Fragen der Lehrergesundheit und Berufszufriedenheit sowie Grade der Belastungen, die vom Lehrerberuf ausgehen. Beide Studien weisen auf eine insgesamt verbesserungsbedürftige Konstellation hin: die Notwendigkeit von Interventionsmaßnahmen im Bereich des sozialen Klimas. Aufgrund enger Zusammenhänge zwischen Schulqualität und -klima wird die innerschulische Beziehungsgestaltung zu einer gewichtigen Komponente. Sie impliziert zum einen die kollegiale Unterstützung und Eltern-arbeit und richtet zum anderen den Blick auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis. Gefordert wird eine Qualitätssicherung, welche die Beziehungskompetenz von Lehrenden als ebenso wichtig erachtet wie fachliche und didaktische Kompeten-zen. Die subjektive Wahrnehmung und Interpretation von Unterricht erfährt damit in ihrem Stellenwert eine grundlegende Bedeutung für dessen Qualität – insbesondere hinsichtlich der Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden.
Die Auswirkungen eines guten Klimas sind facettenreich. Sie reichen von einer Zunahme der Lernfreude bzw. dem Abbau von Schulverdrossenheit und (Leistungs-)Angst, der Verbesserung der Unterrichtsdisziplin, der Erhöhung der Anstrengungsbereitschaft und Mitarbeit bis hin zur Verbesserung von Kohäsion und Selbstwert. Viele Effekte umfassen den Bereich der Lern- und Leistungsmo-tivation. Nach Bülter und Meyer (2004, 32) helfen die klimastiftenden Bestim-mungsstücke dem Lehrenden, ein Arbeitsbündnis mit den Schülerinnen und Schülern zu schließen und damit positive Wirkungen zu erzielen hinsichtlich (a) des Selbstvertrauens, (b) des Sozialverhaltens im Unterricht, (c) des Lern- und Leistungsverhaltens, (d) der fachlichen Interessenbildung sowie (e) der eige-nen Einstellungen zu Schule und Unterricht. Der letztgenannte Punkt findet bei Rohlfs (2011) eine empirische Bestätigung: klimapositive Erfahrungen sozialer Eingebundenheit werden als Bestimmungsstücke günstiger Bildungseinstellun-gen erachtet.
Wenngleich Evidenzen vorliegen hinsichtlich seiner Wichtigkeit und Not-wendigkeit in Schule und Unterricht, so ist das Klimakonstrukt doch in seiner inhaltlichen Ausrichtung uneinheitlich und weit entfernt von einer klaren Dimen-sionalisierung. Als Klimaelemente finden sich unter anderem gegenseitiger Res-pekt (Meyer 2004), Vertrauen (Schweer 2008), angemessene Wartezeiten nach Lehrerfragen (Helmke 2009), eine positive Einstellung zum Fehlermachen (Oser & Spychiger 2005), Schülerzentriertheit (Eder & Mayr 2000), Wohlbefinden (Hascher 2004a, b) und positive Lehrer-Schüler-Beziehungen (Cornelius-White 2007, Gehlbach et al. 2012, Martin & Dowson 2009). Die Bandbreite ist vielfäl-tig und variiert facettenreich in Abhängigkeit der jeweiligen Konzeption. Dabei drängt sich die Frage auf, ob die Orientierung an Einzelelementen nicht sinnvol-ler ist als ein pauschaler Klimaindex. Sucht man in den Metaanalysen von Hattie (2009, 2012) nach Klimaeffekten, wird man nicht fündig. Den Begriff selbst gibt es sehr wohl – danach besteht ein „optimal classroom climate for learning“ (Hat-tie 2012, 26) aus den Komponenten Vertrauen und Fehlertoleranz („okay to make mistakes“). In deren Umfeld sind hohe Effektstärken verzeichnet: „teacher credibility“ mit d=.90, „not labeling students“ mit d=.61 (a.a.O., 251f) und an anderer Stelle verweist Hattie (2013, 123) auf die zentrale Bedeutung des Klas-senzusammenhalts („classroom cohesion“) mit d=.53 als „Schlüsselfaktor für ein positives Klima“.
Mit der Konzeption von Bauer (2008a) ist zudem die Frage aufgeworfen, ob die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung als Facette des Klimas gesehen wer-den sollte oder als eigenständiger Faktor gelten kann.
Mit dem Blick auf potentielle Effekte schulischer Umwelten ist davon aus-zugehen, dass das subjektive Erleben der Schulumwelt im Klassenverband die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung von Lernenden beeinflusst (Drössler et al. 2007). Ob etwas gelernt und im Langzeitgedächtnis verankert wird, hängt nicht nur vom Ausmaß der Motiviertheit bzw. von kognitiven Merkmalen ab, sondern auch vom Kontext, in dem gelernt wird. Da bei jedem Inhalt mit abge-speichert wird, „wer diesen Inhalt vermittelt (Quellengedächtnis) und wo bzw. wann das Lernen stattfindet (Orts- und Zeitgedächtnis)“, ist der Kontext auch maßgeblich am Lernerfolg beteiligt (Roth 2008, 67).